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1919

Soziale Sicherheit als Beitrag zur internationalen Friedensordnung

Nach dem Ersten Weltkrieg hoffen die Siegermächte, mit der Gründung des Völkerbunds einen Schritt zu einer stabilen internationalen Friedensordnung zu tun. Dazu gehört auch, soziale Gerechtigkeit und Soziale Sicherheit zu fördern. Zuständig dafür ist die ebenfalls neu gegründete Internationale Arbeitsorganisation (IAO).

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Gestützt auf den Versailler Vertrag und im Rahmen des Völkerbunds wurde 1919 die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) gegründet. Die IAO und das ihr zugehörige Internationale Arbeitsamt, die ihren Sitz bis heute in Genf haben, waren nach dem Ersten Weltkrieg federführend im internationalen Arbeiterschutz und in der transnationalen Sozialpolitik. Der Gründung der IAO lag die Überlegung zugrunde, dass eine dauerhafte Friedensordnung nur durch die Zusammenarbeit von Arbeitgebern, Gewerkschaften und Staat errichtet werden konnte. In der Internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz, die als regierungsnahe Vorläuferorganisation der IAO gilt, hatte die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Anders in der IAO: Hier waren und sind alle nationalen Delegationen aus zwei Behördendelegierten sowie je einem Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter zusammengesetzt.

Noch bevor die IAO ihre Tätigkeit aufnahm, fand in Washington die erste internationale Arbeitskonferenz statt. Sie verabschiedete zwölf Entwürfe von Übereinkommen, die unter anderem die Einführung der 48-Stunden-Woche, Massnahmen gegen die Arbeitslosigkeit sowie den Schutz von Frauen, Müttern und Jugendlichen in der Industrie vorsahen. Für die Schweiz waren diese Beschlüsse insbesondere deshalb bedeutsam, weil damit die Forderung nach finanzieller Absicherung der Mutterschaft auf die politische Agenda kam. Aus finanziellen Überlegungen lehnten Bundesrat und Parlament zwar die Ratifizierung der entsprechenden Konvention ab, im Gegensatz zu andern Sonderschutzbestimmungen für Frauen. Das Bundesamt für Sozialversicherung erhielt jedoch immerhin den Auftrag, die Integration der Mutterschafts- in die Krankenversicherung zu prüfen. Die Reform versandete aber Mitte der 1920er-Jahre. Eine weitere Gesetzesvorlage erlitt kurz vor dem Zweiten Weltkrieg das gleiche Schicksal. Generell war die Schweiz bis zum Zweiten Weltkrieg äusserst zurückhaltend bei der Ratifizierung der IAO-Konventionen, die in den meisten Fällen die soziale Absicherung erweiterten. Nur drei der total 15 Übereinkommen wurden übernommen.

Literatur / Bibliographie / Bibliografia / References: Herren-Oesch Madeleine (2009), Internationale Organisationen seit 1865. Eine Globalgeschichte der internationalen Ordnung, Darmstadt; Wecker Regina, Studer Brigitte, Sutter Gaby (2001), Die ‚schutzbedürftige Frau‘. Zur Konstruktion von Geschlecht durch Mutterschaftsversicherung, Nachtarbeitsverbot und Sonderschutzgesetzgebung, Zürich; Kneubühler Helen Ursula (1982), Die Schweiz als Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, Bern; HLS / DHS / DSS: Internationale Arbeitsorganisation ILO.

(12/2014)