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Um 1900

Sozialpolitischer Internationalismus: Wider den ungezügelten Kapitalismus

Ende des 19. Jahrhunderts wird der Arbeiterschutz zu einem internationalen Thema. Zahlreiche Kongresse und das 1901 in Basel gegründete Internationale Arbeitsamt bemühen sich, die einzelstaatlichen Schutzbestimmungen zu harmonisieren und schädliche Auswirkungen des Wirtschaftswettbewerbs zu verhindern und soziale Spannungen zu lindern.

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Anlässlich der Weltausstellung in Paris von 1900 gründeten Sozialpolitiker verschiedener europäischer Staaten die Internationale Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz (IVGA). Sie richtete in Basel das internationale Arbeitsamt ein, das zu einem guten Teil von der Schweiz finanziert wurde. Wie die zahllosen anderen internationalen Kongresse und die internationalen Organisationen und Büros, die um die Jahrhundertwende entstanden, widerspiegelt die Gründung der IVGA die wachsende wirtschaftliche Verflechtung der modernen Industriestaaten und den Ausbau der modernen Verkehrs- und Kommunikationsverbindungen. Fragen der Sozialen Sicherheit spielten eine wichtige Rolle auf der internationalen Kongressagenda. Experten und Funktionäre debattierten über die öffentliche Wohlfahrtspflege und die private Wohltätigkeit, über Arbeitsunfälle, Versicherungen und die Methoden der Versicherungswissenschaft (Berechnung von Versicherungsrisiken).

Es war kein Zufall, dass die Schweiz sich grenzüberschreitend für den Arbeiterschutz engagierte. Das Fabrikgesetz von 1877, das besondere Schutzbestimmungen für Kinder und Frauen enthielt, galt international als fortschrittlich. Vertreter der Arbeiterschaft und der Industrie sowie der Bundesrat waren gleichermassen daran interessiert, die Schutzbestimmungen - und die Konkurrenzbedingungen - über die Grenzen hinweg zu harmonisieren. Nachdem 1890 ein erster diplomatischer Vorstoss gescheitert war, organisierte der Arbeiterbund 1897 in Zürich einen Kongress für Arbeiterschutz, der die Sozialpolitik grenzüberschreitend koordinieren sollte.

Nach seiner Gründung wirkte das internationale Arbeitsamt in Basel vor allem als Dokumentationsstelle. Daneben spurte die IVGA als private, jedoch regierungsnahe Vereinigung mehrere Konventionen vor, unter anderem den Schutz vor gefährlichen Substanzen und ein Nachtarbeitsverbot für Frauen. Bis zum Ersten Weltkrieg trat sie weiter für den Schutz jugendlicher Arbeiter und die Einführung des 8-Stunden-Tags ein. 1919 gingen viele ihrer Funktionen an die Internationale Arbeitsorganisation über.

Literatur / Bibliographie / Bibliografia / References: Herren-Oesch Madeleine (2009), Internationale Organisationen seit 1865. Eine Globalgeschichte der internationalen Ordnung, Darmstadt; Topalov Christian (1999), Laboratoires du nouveau siècle. La nébuleuse réformatrice et ses réseaux en France, 1880-1914, Paris; Garamvölgyi Judit (1982), Die internationale Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz, in Gesellschaft und Gesellschaften. Festschrift Ulrich Im Hof, 626–646, Bern.

(12/2014)