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1976

Antwort auf die Wirtschaftskrise: Neuordnung der Arbeitslosenversicherung

Als Reaktion auf die Rezession von 1974/75 führt die Schweiz ein nationales Obligatorium in der Arbeitslosenversicherung ein. Die Umsetzung zieht sich allerdings in die Länge. Erst 1984 tritt eine definitive Lösung in Kraft.

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Im Gegensatz zu den meisten europäischen Staaten kannte die Schweiz bis in die 1970er-Jahre keine obligatorische Arbeitslosenversicherung. Dieser Schritt erfolgte erst 1976. Das Bundesgesetz von 1951 hatte die 1924 eingeführte Subventionslösung beibehalten. In den Boomjahren war der Anteil der freiwillig Versicherten sogar rückläufig. 1974 betrug er weniger als ein Fünftel der Erwerbstätigen. Erst unter dem Eindruck der Rezession kam es zu einer grundlegenden Neuregelung, die - gemessen an anderen sozialpolitischen Reformvorhaben - erstaunlich rasch realisiert wurde.

Allein 1975/76 gingen in der Schweiz 300.000 Stellen verloren, wovon allerdings zwei Drittel durch die Rückwanderung ausländischer Arbeitskräfte aufgewogen wurden, weil die Behörden ihre Aufenthaltsbewilligungen nicht erneuerten. Besonders stark von Kündigungen betroffen waren auch Schweizerinnen. Die geringe Verbreitung der Arbeitslosenversicherung und die Rückwanderung ausländischer Arbeitskräfte erlaubten es jedoch, die offiziellen Arbeitslosenzahlen tief zu halten. Am 13. Juni 1976 nahmen die Stimmberechtigten einen neuen Verfassungsartikel an, der die Leitplanken für die künftige Arbeitslosenversicherung setzte: ein Versicherungsobligatorium für Unselbständigerwerbende, eine Finanzierung durch Lohnabzüge und eine dezentrale Verwaltung. Nur wenige Monate später erliess der Bundesrat eine Übergangsordnung, die bis zum Inkrafttreten eines entsprechenden Gesetzes gelten sollte. Die Betroffenen erhielten das Anrecht auf 150 Taggelder, die so bemessen sein sollten, dass sie 70-80 Prozent des Lohnausfalls abdeckten. Das Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung wurde 1982 verabschiedet und trat am 1. Januar 1984 in Kraft. Die gesetzliche Regelung erhöhte die Anzahl Taggelder auf 180. Ebenfalls vorgesehen waren Kurzarbeits-, Schlechtwetter- und Insolvenzentschädigungen, Massnahmen zur Arbeitsmarktintegration sowie Kontrollmassnahmen gegen Versicherungsmissbrauch.

Literatur / Bibliographie / Bibliografia / References: Togni Carola (2013), Le genre du chômage. Assurance chômage et division sexuée du travail en Suisse, Thèse de doctorat, Université de Berne; Tabin Jean-Pierre, Togni Carola (2013), L’assurance chômage en Suisse. Une socio-histoire (1924–1982), Lausanne; Schmidt Manfred G. (1985), Der schweizerische Weg zur Vollbeschäftigung: eine Bilanz der Beschäftigung, der Arbeitslosigkeit und der Arbeitsmarktpolitik, Frankfurt am Main; HLS / DHS / DSS: Arbeitslosenversicherung ALV. 

(12/2014)