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1916-1924

Hinter den Kulissen der AHV-Debatten

Während die ersten Entwürfe für eine eidgenössische AHV grosse politische Hürden überwinden müssen, erleben die Pensionskassen in der Zwischenkriegszeit eine erste Expansionsphase. Im gleichen Zeitraum wird die Altersvorsorge für die Lebensversicherer zu einem wichtigen Markt.

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Vor 1914 gab es ausserhalb des öffentlichen Sektors nur wenige Pensionskassen und nur eine Handvoll Unternehmen gewährte ihren Angestellten Altersrenten. Das änderte sich ab 1916, als der Bund beschloss, die an Vorsorgeeinrichtungen entrichteten Beträge von der Kriegsgewinnsteuer zu befreien. Diese Steuererleichterung führte insbesondere in der Maschinen- und Metallindustrie zur Gründung einer ganzen Reihe neuer Pensionskassen. Zwischen 1911 und 1930 verzehnfachte sich die Zahl der Kassen (von rund hundert auf über tausend). Hinter diesem Boom verbargen sich allerdings grosse Unterschiede: 1930 waren zwei Drittel der Beschäftigten des öffentlichen Sektors einer Kasse angeschlossen, bei den Arbeitnehmenden des Privatsektors waren es gerade mal zehn Prozent.

Über Steueroptimierungen hinaus trugen die Vorsorgeeinrichtungen der Arbeitgeber auch dazu bei, die Arbeitsbeziehungen nach dem Generalstreik zu beruhigen und die Angestellten an ihre Unternehmen zu binden. Schliesslich lässt sich diese erste Expansionsphase auch durch die Verzögerung und die Hürden bei der Einrichtung der AHV erklären. Ab der Zwischenkriegszeit trat die Lobby der Privatvorsorge, die sich 1922 im Schweizerischen Verein der Unterstützungskassen und Stiftungen für Alter und Invalidität (SVUSAI) zusammenschloss, als wichtige Akteurin bei den Debatten über die Renten auf.

Die Lebensversicherer besetzten in diesen Debatten ebenfalls eine strategische Position. Mit ihren Kompetenzen in Versicherungsmathematik (Methode zur Berechnung der Versicherungsrisiken) berieten sie den Bund bei den ersten AHV-Projekten. Ab den 1920er-Jahren entwickelten sich ihre Gesellschaften dank Gruppenverträgen (für Unternehmen, die Rentenleistungen anbieten wollten, ohne ihre eigene Pensionskasse zu betreiben) auch auf dem Vorsorgemarkt weiter. Damals hatte die Privatvorsorge bereits eine beachtliche finanzielle Tragweite: Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs beliefen sich die Reserven der Pensionskassen bereits auf mehr als ein Viertel des Bruttoinlandprodukts.

Literatur / Bibliographie / Bibliografia / References: Leimgruber Matthieu (2008), Solidarity without the state? Business and the shaping of the Swiss welfare state, 1890–2000, Cambridge; Leimgruber Matthieu (2006), La politique sociale comme marché. Les assureurs vie et la structuration de la prévoyance vieillesse en Suisse (1890–1972), Studien und Quellen, 31, 109–139, Zürich; HLS / DHS / DSS: Pensionskassen.

(12/2014)