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1950-1975

Der Sozialstaat in der Hochkonjunktur

Ab 1950 nimmt die Zahl der Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz wegen der erhöhten Nachfrage nach Arbeitskräften stark zu. Betroffen davon sind auch die Sozialversicherungen.

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Der Wirtschaftsboom der Nachkriegszeit wäre nicht möglich gewesen ohne die massive Einwanderung ausländischer Arbeitskräfte. 1950 zählte man in der Schweiz 285.000, zwanzig Jahre später 1.080.000 ausländische Staatsangehörige (6.1 respektive 17.2 Prozent der Wohnbevölkerung). Ein grosser Teil der Ausländerinnen und Ausländer stammte zunächst aus Italien, später auch aus andern südeuropäischen Ländern (Spanien, Portugal, Jugoslawien). Aufenthaltsbewilligungen waren meist befristet, so dass der Grossteil der Arbeiterinnen und Arbeiter die Schweiz nach weniger als einem Jahr vorübergehend verlassen musste (Rotationsprinzip). Erst Mitte der 1960er-Jahre wurden die dauerhafte Niederlassung und der Familiennachzug teilweise erleichtert. Vor dem Hintergrund eines zunehmend ausländerfeindlichen Klimas (Schwarzenbach-Initiative gegen die "Überfremdung") verschärfte sich die Migrationspolitik allerdings. Der Bund ergriff nun Massnahmen zur zahlenmässigen Stabilisierung der ausländischen Wohnbevölkerung, etwa mittels Vorschreibens von Höchstzahlen und Kontingenten für einzelne Unternehmen und Länder.

Die Rekrutierung von Arbeitskräften aus dem Ausland betraf auch die Sozialversicherungen. Bereits 1929 war die Schweiz einem Abkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) beigetreten, das Diskriminierungen in der Unfallfallversicherung verhindern sollte. Von Beginn an finanzierten die ausländischen Arbeiterinnen und Arbeiter die AHV mit, ohne später notwendigerweise auch Leistungen beziehen zu können. Die Schweiz schloss zudem mit zahlreichen Staaten Sozialversicherungsabkommen ab, die insbesondere den Bezug von Leistungen im Ausland regelten. Die Abkommen mit Italien von 1949, 1951 und 1962 erleichterten beispielsweise den Transfer von AHV- und IV-Renten nach Italien und sahen die obligatorische Versicherung italienischer Arbeitskräfte gegen Krankheit vor. Diskriminierungen, die vor allem die zahlreichen Saison- und Kurzaufenthalter betrafen, bestanden indes weiterhin und verstärkt in den freiwilligen Versicherungszweigen. So waren Saisonniers nicht gegen Arbeitslosigkeit versichert und verfügten über keine berufliche Vorsorge.

Literatur / Bibliographie / Bibliografia / References: Arlettaz Gérald, Arlettaz Silvia (2006), L’Etat social national et le problème de l’intégration des étrangers 1890 – 1925, Studien und Quellen, 31, 191–217; Gees Thomas (2006), Die Schweiz im Europäisierungsprozess. Wirtschafts- und gesellschaftspolitische Konzepte am Beispiel der Arbeitsmigrations-, Agrar- und Wissenschaftspolitik, Zürich; Mahnig Hans (ed.), Histoire de la politique de migration, d’asile et d’integration en Suisse depuis 1948, Zürich; HLS / DHS / DSS: Ausländer.

(12/2014)