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Am 6. Dezember 1925 wurden die Stimmberechtigten zum ersten Mal an die Urne gerufen, um über eine AHV zu entscheiden. Zwei Drittel der stimmenden Männer und 16 ½ Stände befürworteten die Verfassungsgrundlage für die Einführung einer obligatorischen AHV. Zudem erhielt der Bund die Befugnis, später auch die IV einzuführen. Nach dem Kranken- und Unfallversicherungsgesetz von 1912 und dem Rahmengesetz zur Arbeitslosenversicherung von 1924 war dies die nächste Etappe zur Realisierung einer Sozialversicherung, deren Grundlage nicht mehr die Fürsorge, sondern individuelle Rechtsansprüche des Versicherten bildeten.
Linksbürgerliche Kreise und Teile der Arbeiterbewegung hatten unter dem Eindruck der Bismarck'schen Sozialversicherung die Einführung der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (AHIV) bereits in den 1880er-Jahren gefordert, so etwa bei der Debatte über die Verfassungsgrundlage für das spätere KUVG. 1912 stand die AHIV definitiv auf der Traktandenliste des Parlaments, allerdings verzögerte der Kriegsausbruch die Behandlung. 1918 war die AHIV im Grundsatz unbestritten. Selbst die bürgerlichen Parteien bekannten nun Interesse am Sozialstaat; zudem hofften sie, Konzessionen an die Linke würden die angespannte Lage nach dem Landesstreik entschärfen. 1919 präsentierte der Bundesrat seine Botschaft.
Der sozialpolitische Aufbruch währte indes nur kurz. Angesichts der Nachkriegskrise stellte der erstarkende Bürgerblock die Finanzierungsweise in Frage, die der Bundesrat vorschlug. Strittig blieb insbesondere die Frage, ob zur Finanzierung der AHIV auch direkte Steuern erhoben werden sollten, wie dies etwa die am 24. Mai 1925 verworfene Initiative des freisinnigen Nationalrats Christian Rothenberger vorsah. Um das Scheitern des Projekts zu verhindern, schlug der Bundesrat unter Federführung von Edmund Schulthess vor, auf die IV zu verzichten und die Vorlage in umstrittenen Punkten zu entschlacken. Das Parlament stimmte diesem Kompromiss zu, auch wenn es sich die spätere Realisierung der IV vorbehielt. Der neue Artikel 34quater machte kaum verbindliche Aussagen über die Finanzierung, die Leistungen und die Organisation der neuen Versicherungszweige. Diese Fragen mussten auf dem Weg der Gesetzgebung geklärt werden.
Literatur / Bibliographie / Bibliografia / References: Leimgruber Matthieu (2008), Solidarity without the state? Business and the shaping of the Swiss welfare state, 1890–2000, Cambridge; Pellegrini Luca (2006), L’assurance vieillesse, survivants et invalidité : ses enjeux finanicer entre 1918 et 1925, Studien und Quellen, 31, 79–107; Lasserre André (1972), L'institution de l'assurance-vieillesse et survivants (1889–1947), in R. Ruffieux (ed.), La démocratie référendaire suisse au 20ème siècle, 259–326, Fribourg; HLS / DHS / DSS: Altersvorsorge.
(12/2014)