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1948-1990

Ausbau und Konsolidierung des Sozialstaats

Bis zum Zweiten Weltkrieg bleibt der schweizerische Sozialstaat schwach und fragmentiert. Erst die Einführung der AHV 1948 leitet eine Phase des schrittweisen Ausbaus ein. Trotz neuer Sozialversicherungen bleiben die Leistungen im internationalen Vergleich lange bescheiden.

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Die Sozialversicherungen blieben bis zum Zweiten Weltkrieg relativ schwach entwickelt. Zu sozialpolitischen Durchbrüchen kam es erst nach Ausbruch des Krieges. Noch 1931 scheiterte ein erster Versuch, eine staatliche AHV einzuführen, an föderalistischen Bedenken gegen zentralstaatliche Einrichtungen. Die private Vorsorge erlebte dagegen in der Zwischenkriegszeit einen Aufschwung.

Die Jahrzehnte nach 1945 waren durch die sukzessive Einführung neuer Versicherungszweige und -obligatorien geprägt: die AHV (1948), die IV (1960), die Ergänzungsleistungen (1966), die Arbeitslosenversicherung (1976) und die berufliche Vorsorge (1985). Reformen fanden auch in der Sozialhilfe statt. Zwischen 1950 und 1990 nahm die Soziallastenquote (Quotient aus Sozialversicherungseinnahmen und Bruttoinlandprodukt), die Aufschluss gibt über die relative Belastung der Volkswirtschaft durch Sozialversicherungseinnahmen, denn auch deutlich zu. 1950 betrug die Quote zehn Prozent, um 1973 auf 15 und bis 1990 auf 21 Prozent zu steigen.

Der Ausbau des Sozialstaats fand zunächst vor dem Hintergrund der Hochkonjunktur der Nachkriegszeit statt, die von hohen Wachstumsraten, steigenden Löhnen, Vollbeschäftigung und einer Erweiterung der Staatstätigkeit geprägt war. Das Wachstum kam Mitte der 1970er-Jahre vorübergehend zum Erliegen. Die Zeit bis 1990 war dann von wiederholten konjunkturellen Ab- und Aufschwüngen gezeichnet. Auf Seite der bürgerlichen Parteien, der Wirtschaft und des Gewerbes nahm in dieser Zeit die Skepsis gegenüber einem weiteren Ausbau der Sozialwerke zu. Die Konsolidierung und punktuelle Reformen der bestehenden Sozialwerke rückten nun ins Zentrum.

Trotz der historisch einmaligen Expansion blieb die Soziale Sicherheit in der Schweiz lange lückenhaft. Die Soziallastenquote nahm sich 1990 im internationalen Vergleich bescheiden aus. Für einzelne Versicherungszweige gab es bis in die 1970er-Jahre hinein nur Minimallösungen, etwa für die Arbeitslosenversicherung. Im Bereich der Krankenversicherung fehlte ein Obligatorium, bei der Mutterschaftsversicherung und den Familienzulagen, die im Prinzip 1945 beschlossen worden waren, verzögerte sich die Einführung um Jahrzehnte.

Literatur / Bibliographie / Bibliografia / References: Studer Brigitte (2012), Ökonomien der sozialen Sicherheit, in P. Halbeisen, M. Müller, B. Veyrasset (ed.), Wirtschaftsgeschichte der Schweiz im 19. Jahrhundert, 923–974, Basel.

(12/2015)