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Sozialdemokratische Partei (SP)

Sozialreformen stehen im Zentrum des Parteiprogramms der Sozialdemokratischen Partei (SP) der Schweiz seit ihrer Gründung 1888. Im Laufe des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die SP von einer Oppositionspartei zu einer Regierungspartei, beauftragt mit dem Aufbau und der Weiterentwicklung einer Sozialgesetzgebung.

Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) wurde 1888 gegründet. Unter ihrem Dach vereinigten sich verschiedene regionale sozialistische Parteien und Arbeiterorganisationen. Klassenkampf und Kritik am Privateigentum standen im Zentrum des Parteiprogramms von 1904, womit sich die SP nun deutlich von den bürgerlichen Parteien abhob. 1890 wurde zum ersten Mal ein Sozialdemokrat in den Nationalrat gewählt, ein Jahr später lancierte die Partei die Initiative «Recht auf Arbeit». Der Initiativtext setzte sich für das Recht auf Arbeit oder zumindest für eine Arbeitslosenentschädigung ein, wurde jedoch in der Volksabstimmung von 1894 abgelehnt. Der Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutz bei Arbeitslosigkeit, im Alter, bei Invalidität, Krankheit und Mutterschaft ist seit 1904 Bestandteil des Parteiprogramms der SP.

1918 gründete die SP zusammen mit dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund das Oltener Aktionskomitee, das zum Generalstreik aufrief. Zu den neun Forderungen des Aktionskomitees gehörte auch die Schaffung der Alters- und Invalidenversicherung. In der Folge des Generalstreiks erreichte die SP eine Erneuerung des Nationalrats nach dem Proporzsystem, was dazu führte, dass sich die Zahl ihrer Sitze bei den eidgenössischen Wahlen von 1919 von 20 auf 41 erhöhte. Marxistische Thesen waren in der Partei mehr und mehr umstritten und machten einer eher reformistischen Ausrichtung Platz. 1921 verliessen die am stärksten links stehenden Militanten anlässlich der Abspaltung von der kommunistischen Internationalen die SP und gründeten die Kommunistische Partei der Schweiz. Der Anspruch auf eine Regierungsmitgliedschaft der Partei wurde immer deutlicher: Bei den Nationalratswahlen von 1931 wurde die SP mit 29 Prozent der Stimmen stärkste Partei des Landes. Die Sozialdemokraten waren schon in der Regierung mehrerer grösserer Städte vertreten und hielten nun auch in mehreren kantonalen Exekutiven und Parlamenten Einzug. Nach den guten Wahlresultaten von 1943 waren die Sozialdemokraten mit der Wahl von Ernst Nobs auch im Bundesrat vertreten. Damit konnte sich die SP an der Gestaltung und Umsetzung der eidgenössischen Politik in einer mehrheitlich bürgerlichen Regierung und einem mehrheitlich bürgerlichen Parlament beteiligen. Ab Ende der 1960er-Jahre nahm der Wähleranteil der Partei auf eidgenössischer Ebene ab und sank 1987 auf unter einen Fünftel. 2003 musste sie ihren Platz als stärkste Partei der Schweiz der Schweizerischen Volkspartei (SVP) überlassen.

Die von der SP mitlancierte «Volksinitiative zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Krise und Not» (Kriseninitiative) von 1935 und die «Volksinitiative für Wirtschaftsreformen und Rechte der Arbeit» von 1947 schlugen Wirtschafts- und Sozialreformen vor, wobei sie den Erhalt des Lohnniveaus, die Schaffung von Arbeitsplätzen und eine Entschädigung bei Arbeitslosigkeit in den Vordergrund rückten, ohne indes das kapitalistische System in Frage zu stellen. Diese gemässigte reformistische Ausrichtung setzte sich 1959 im Parteiprogramm der SP durch und wurde teilweise durch soziale Bewegungen Ende der 1970er-Jahre wieder zur Diskussion gestellt, welche die Ungleichheiten zwischen den sozialen Schichten, den Geschlechtern und den Staatszugehörigkeiten kritisierten. Innerhalb der Partei gab es also eine der Marktwirtschaft kritisch gegenüberstehende Tendenz neben einem moderaten Flügel, der in der Mehrheit war.

In den 1960er-Jahren setzten sich die sozialdemokratischen Nationalräte für die Einführung einer obligatorischen gesamtschweizerischen Arbeitslosenversicherung ein. Sie distanzierten sich dabei von einem Teil der Gewerkschaftsführer. Diese befürchteten, dass eine solche Reform das Bestehen ihrer Kassen gefährden könne.

Zwischen 1959 und 1973 war der sozialdemokratische Bundesrat Hans Peter Tschudi Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern. Unter dem Einfluss des «Tschudi-Tempos» wurden die AHV-Renten verdoppelt. Mit der Einführung von Ergänzungsleistungen im Jahr 1966 verbesserte sich die Situation der Personen mit niedrigen Renten, während die generelle Erhöhung der AHV-Renten eingeschränkt wurde. Gegen den Willen des Bundesrats lancierte die SP Schweiz 1969 die «Volkspensionsinitiative». Im Gegensatz zur gleichnamigen Initiative der (kommunistischen) Partei der Arbeit bezweckte der Initiativtext der Sozialdemokraten eine Stärkung der AHV, ohne die Rolle der privaten beruflichen Vorsorge in Frage zu stellen. Tatsächlich wollten sich die der SP nahestehenden Gewerkschaftsorganisationen an der Führung von Pensionskassen beteiligen. 1972 unterstützte die Delegiertenversammlung der SP die 3-Säulen-Doktrin und die Einführung des obligatorischen Beitritts zu den bestehenden Pensionskassen.

Seit den 1970er-Jahren und vor allem seit den 1990er-Jahren nimmt die SP Schweiz in der Sozialpolitik eine immer defensivere Rolle ein und konzentriert sich hauptsächliche auf die Bekämpfung von Reformprojekten, die auf einen Leistungsabbau abzielen.

2004 beteiligte sich die SP Schweiz an der Kampagne gegen eine Erhöhung des Frauenrentenalters, ein Projekt, das unter der Leitung der ersten sozialdemokratischen Bundesrätin, der Genferin Ruth Dreifuss ausgearbeitet worden war. Sie hatte sich allerdings auch für eine Forderung eingesetzt, an der den engagierten Feministinnen besonders gelegen war, nämlich für die seit den 1920er-Jahren bestehende Forderung nach einer eidgenössischen Mutterschaftsversicherung. Diese wurde 2004 angenommen, nachdem sie während über dreissig Jahren das Hauptanliegen feministischer Bewegungen und militanter Gewerkschaften gewesen war. Tiefgreifende Reformprojekte von sozialdemokratischen Bundesräten wie die Revision der Invalidenversicherung zur Zeit von Bundesrätin Ruth Dreifuss oder das Projekt zur Erhöhung des Rentenalters, das 2012 unter dem sozialdemokratischen Bundesrat Alain Berset wieder aufs Parkett kam, führten – und führen – zu Debatten und Spannungen innerhalb der sozialdemokratischen Partei.

Literatur / Bibliographie / Bibliografia / References: Jeanneret Pierre (2012), Deux siècles de luttes: une brève histoire du mouvement socialiste et ouvrier en Suisse, Genève; PSS (1988), Solidarité, débats, mouvement. Cent ans de Parti socialiste suisse, 1888-1988, Lausanne. HLS / DHS / DSS: Sozialdemokratische Partei.

(12/2014)