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Schweizerische Volkspartei (SVP)

Die Schweizerische Volkspartei (SVP) vertritt eine rechtskonservative Sozialpolitik. Nachdem sie sich in den 1970er-Jahren sozialpolitisch in die Nähe der Mitteparteien bewegte, profiliert sie sich seit den 1990er-Jahren als Kritikerin der Sozialwerke.

Aus kantonalen Bauernparteien formierte sich 1921 die Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB) und entwickelte sich zu einer der vier grossen Regierungsparteien. Im Jahr 1929 konnte sie mit Rudolf Minger erstmals einen Bundesrat stellen. Als Teil der sogenannten „Zauberformel“ hatte die BGB seit 1959 informellen Anspruch auf einen Bundesratssitz. Die BGB vertrat eine konservative Weltanschauung. Ihre Hauptanliegen lagen im Bereich der Agrar- und Gewerbepolitik. In der Sozialpolitik vertrat sie vergleichbare Positionen wie die beiden anderen bürgerlichen Parteien CVP und FDP.

Im Jahr 1971 fusionierte die BGB mit den Demokratischen Parteien von Glarus und Graubünden zur Schweizerischen Volkspartei (SVP). Mit einer programmatischen Öffnung zur Mitte versuchte sie über ihre Klientel von Bauern und Handwerkern hinaus eine breitere Wählerschicht anzusprechen. In den 1990er-Jahren wandelte sich die SVP unter Einfluss der Zürcher Sektion und des Parteistrategen, Nationalrats und späteren Bundesrats Christoph Blocher zu einer wirtschaftsnahen rechtspopulistischen Partei. Ihre Kampagnen und Referenden prägten häufig die politische Agenda, vor allem in der Ausländerpolitik, in der die SVP einen restriktiven Kurs einschlug. In der Folge gewann sie Wähleranteile und wurde 2003 zur stärksten Partei im Nationalrat.

Die BGB und die SVP betonten in sozialpolitischen Debatten das Prinzip der Eigenverantwortung, ohne die Sozialwerke grundsätzlich in Frage zu stellen. Sie vertraten ein konservatives Familienmodell, bei dem die Solidarität unter den Familienmitgliedern spielen sollte. Auch das Dreisäulen-Modell in der Altersvorsorge trugen sie mit. Seit den 1980er-Jahren, nach Einführung der Alters- und Hinterlassenenversicherung (1947), der Invalidenversicherung (1959), der obligatorischen Arbeitslosenversicherung (1976) und der Beruflichen Altersvorsorge (1985) sah die SVP die Grenzen des Sozialstaats erreicht. Die Sozialwerke müssten finanziell konsolidiert und nicht weiter ausgebaut werden, um die Wirtschaft nicht stärker zu belasten.

Seit 2000 lenkte die SVP die Debatten über den Sozialstaat auf spezifische Themen. Einerseits machte sie den hohen Ausländeranteil in den Sozialwerken für deren unsichere Finanzierungslage verantwortlich. Andererseits erhob sie die Missbräuche in Sozialwerken zum vordringlichen Problem und nahm seit 2000 die IV-Rentnerinnen und -Rentner (Scheininvaliditäts-Debatte) sowie seit 2010 die Sozialhilfebezüger ins Visier.

Die sozialpolitischen Positionen der SVP kamen in den Volksbefragungen der letzten Jahrzehnte zum Tragen. Bis zur 9. AHV-Revision von 1979 trug die SVP die Sozialvorlagen mehrheitlich mit. Nach der rechtspopulistischen Wende lancierte oder unterstützte sie Referenden gegen das Krankenkassenobligatorium (1994), die Mutterschaftsversicherung (1999, 2004) und die Harmonisierung der Familienzulagen (2006). Umgekehrt befürwortete sie Gesetzesvorlagen zur Alters- und Hinterlassenversicherung, der Invalidenversicherung und der Arbeitslosenversicherung, die eine Kosteneindämmung oder einen Abbau der Leistungen beinhalteten.

Literatur / Bibliographie / Bibliografia / References: Mazzoleni Oscar (2008), Nationalisme et populisme en Suisse. La radicalisation de la „nouvelle“ UDC, Lausanne; Schweizerische Volkspartei (1990), Sozialstaat Schweiz, Bern; Canonica Alan (2013), Missbrauch und Reform. Dimensionen und Funktionen der Missbrauchsdebatten in der schweizerischen Invalidenversicherung aus historischer Perspektive, Schweizerische Zeitschrift für Soziale Arbeit, 13:12, 24–37; HLS / DHS / DSS: Schweizerische Volkspartei (SVP).

(12/2015)