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Covid-19-Pandemie
Die Covid-19-Pandemie forderte in der Schweiz seit ihrem Ausbruch 2020 bis 2024 rund 14‘000 Todesfälle. Die Pandemie stellte die Sozialversicherungen vor besondere Herausforderungen. Innerhalb kürzester Zeit wurden drohende Arbeitslosigkeit und Erwerbsausfall mit Massnahmenpaketen abgefedert. Dazu investierte der Bund zunächst Gelder in Corona-Erwerbsausfall- sowie in Kurzarbeitsentschädigungen. Später verlangten Betroffene der Post-Covid-19-Erkrankung eine bessere Unterstützung.
Ende Dezember 2019 wurde das China-Landesbüro der Weltgesundheitsorganisation (WHO) über die Häufung von Lungenentzündungen in Wuhan informiert. Anfang Januar 2020 identifizierten chinesische Behörden das neue Coronavirus SARS-CoV-2 als Ursache der Erkrankungen. Die erste Phase der Pandemie betraf vor allem China. Bald verbreitete sich die Krankheit auch in Europa, Nord- und Südamerika, Indien und Afrika. Ende Februar 2020 erreichte sie die Schweiz und wurde zunächst als moderates Risiko für die Bevölkerung eingeschätzt. Am 11. März 2020 stufte die WHO das Infektionsgeschehen als Pandemie ein.
Rund 80 Prozent der Infektionen mit SARS-CoV-2 verliefen ohne oder mit milden Symptomen. In den anderen Fällen kam es zu schweren Krankheitsverläufen. Betroffen waren vor allem ältere Personen und Menschen mit Vorerkrankungen (u.a. Herzkreislauferkrankungen, Diabetes, Erkrankungen des Atmungssystems).
Das Coronavirus verbreitete sich in Wellen. Die Schweiz verzeichnete im März 2020 einen rasanten Anstieg von Corona-Infektionen. Als Reaktion auf diese „erste Welle“ rief der Bundesrat am 16. März 2020 die „ausserordentliche Lage“ aus. Die Regierung erhielt dadurch ausserordentliche Vollmachten. Sie verbot öffentliche und private Veranstaltungen. Läden, Restaurants, Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe wurden geschlossen und Einreiseverbote für Personen aus den Nachbarländern verhängt. Für die Unterstützung des Gesundheitswesens wurden bis zu 8‘000 Armeeangehörige aufgeboten. Oberstes Ziel der Massnahmen war, schwere Krankheitsfälle und Todesfälle zu vermeiden sowie wirtschaftliche Schäden zu mildern. Die Massnahmen des Bundesrats wurden in Politik und Öffentlichkeit kontrovers diskutiert.
Ende April 2020 lockerte der Bundesrat die Corona-Massnahmen und hob die „ausserordentliche Lage“ auf. Damit erhielten die Kantone viele Kompetenzen in der Bewältigung der Pandemie zurück. Die kantonalen Massnahmen setzten bei Hygiene- und Verhaltensregeln an, die auf vier Eckpfeilern beruhten: Testen, Contact Tracing, Isolation und Quarantäne. Im Herbst 2020 stiegen die Krankheitsfälle wieder deutlich an. Die Schweiz erlebte die zweite Welle der Pandemie mit einer der höchsten Infektions- und Sterberaten in Europa. Die föderalistische Struktur erwies sich dabei als Hypothek, weil sich die Kantone schwertaten, die Massnahmen gegen die Pandemie koordiniert zu verschärfen.
Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie waren gravierend. Mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 3,3 Prozent erlebte die Schweiz im Jahr 2020 den grössten wirtschaftlichen Einbruch seit der Rezession 1974/75. Um die Folgen abzufedern, beschloss der Bundesrat ein beispielloses Massnahmenpaket in der Höhe von 70 Milliarden Franken. Die Summe entsprach etwa den jährlichen Gesamtausgaben des Bundeshaushaltes. Das Ziel war, Unternehmen und Selbständigerwerbende zeitnah zu unterstützen, um Entlassungen und Arbeitslosigkeit zu verhindern. Insgesamt bezahlte der Bund im Rahmen der Corona-Erwerbsausfallentschädigung (CEE) Beiträge in der Höhe von 4,3 Milliarden Franken aus. An Selbständigerwerbende wurden bis Ende Oktober 2021 2,7 Milliarden Franken ausbezahlt. Diese Beschäftigtengruppe erhielt zum ersten Mal überhaupt eine Bundesunterstützung.
Zwischen Mitte März und Mitte Mai 2020 nahm die Zahl der Arbeitslosen in der Schweiz um 42‘000 Personen zu. Über ein Drittel aller Beschäftigten wurde zur Kurzarbeit angemeldet. Das Instrument der Kurzarbeitsentschädigung schützte Arbeitnehmende vor der Entlassung, indem die Arbeitslosenversicherung Arbeitgebern einen Teil der Lohnkosten für Arbeitnehmende zurückerstattete. Der Bundesrat führte infolge der Covid-19 Pandemie Massnahmen zur Ausweitung und Vereinfachung der Kurzarbeit ein. Unternehmen konnten ausserdem zwischen Ende März und Ende Juli 2020 Überbrückungskredite beantragen; diese wurden vom Bund verbürgt. Dafür wurden rund 16,9 Milliarden Franken eingesetzt. Betriebe, die vorübergehend geschlossen wurden, wie Restaurants, Bars, Discotheken, Freizeit- und Unterhaltungsbetriebe, wurden als Härtefälle eingestuft und erhielten Entschädigungen von Bund und Kantonen. Der Bundesrat beschloss im Februar 2021, das Härtefallprogramm auszuweiten und auf 10 Milliarden Franken aufzustocken. Die Kosten wurden auf den Bund (70 Prozent) und die Kantone (30 Prozent) verteilt. Im November 2021 entschied der Bundesrat, die Kantone mit zusätzlichen 200 Millionen Franken beim Abschluss des Härtefallprogramms zu unterstützen. Insgesamt erhielten rund 35‘000 Unternehmen finanzielle Unterstützungen von Bund und Kantonen im Umfang von rund 5,3 Milliarden Franken.
Bei der Unterstützung für Selbstständigerwerbende im Rahmen der Corona-Erwerbsausfallentschädigung wurden zwei Gruppen unterschieden: Selbständige, die ihren Betrieb ganz schliessen mussten, und andere, deren Geschäft offenbleiben konnte, die jedoch aufgrund fehlender Kundschaft erhebliche Umsatzeinbussen erlitten. Letztere hatten nur Anspruch auf Corona-Erwerbsausfallentschädigungen, wenn sie 2019 ein AHV-pflichtiges Jahreseinkommen von mindestens 10‘000 Franken verbuchen konnten.
Im Dezember 2020 wurde ein erster Impfstoff gegen Covid-19 in der Schweiz zugelassen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und die eidgenössische Kommission für Impffragen (EKIF) präsentierten der Öffentlichkeit eine Impfstrategie, nach der besonders gefährdete Personengruppen prioritär geimpft wurden. Weitere Zielgruppen wurden schrittweise im Laufe des Jahres 2021 gegen Covid-19 geimpft. Im März und April 2021 stiegen die Fallzahlen in der Schweiz nochmals an. Mitverantwortlich dafür waren besonders ansteckende Coronavirus-Mutationen. Mit fortschreitender Impfkampagne gingen die Fallzahlen ab Mai 2021 zurück, stiegen jedoch im Sommer 2021 mit der sogenannten Delta-Variante und Ende 2021 mit der Omikron-Variante wieder an. Ab Februar 2022 nahm die Anzahl bestätigter Covid-Fälle schliesslich kontinuierlich ab.
Am 1. April 2022 beendet der Bundesrat die besondere Lage. Alle Corona-Schutzmassnahmen wurden aufgehoben. Die Möglichkeit, Ansprüche für die verschiedenen Kategorien von Corona-Erwerbsersatzentschädigungen geltend zu machen, lief bis zum Herbst 2022 schrittweise aus. Am 5. Mai 2023 erklärte die WHO den globalen Gesundheitsnotstand für beendet. Trotzdem gab es im Herbst und Winter 2023 wieder Infektionen mit dem Corona-Virus.
Bis Mitte 2024 wurden die Kosten für die Covid-Impfungen von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung, dem Bund und den Kantonen übernommen. Danach war die Covid-Impfung nur für „besonders gefährdete“ Personen kostenlos: für Personen ab 65 Jahren sowie für Personen ab 16 Jahren mit einer chronischen Krankheit oder Trisomie 21.
Post-Covid-19-Erkrankung
Einige an Covid-19-Erkrankte litten auch nach der eigentlichen Infektion noch an Symptomen wie Fatigue, Kurzatmigkeit und kognitiven Beeinträchtigungen. Die anhaltenden Folgen einer Coronavirus-Infektion wurden von der WHO als „Post-Covid-19-Erkrankung“ bezeichnet, in der Umgangssprache wurde oft von Long Covid gesprochen. Frauen waren häufiger von Folgeerkrankungen einer Covid-Infektion betroffen als Männer. Für die Schweiz geht man von rund 200'000 Betroffenen in unterschiedlichen Schweregraden aus.
Einige Betroffene waren in ihrer Erwerbsfähigkeit eingeschränkt und drohten, es zu bleiben. Zunächst wurden Angestellte durch ihren Arbeitgeber entschädigt, durch eine Lohnfortzahlung, wenn der Arbeitgeber über eine Krankentaggeldversicherung verfügte. Dadurch waren 80% des versicherten Lohnes während 720 Tagen gedeckt. Bei längerem Erwerbsausfall empfahl das BAG, sich bei der Invalidenversicherung (IV) zu melden. Erst nach Eingliederungsbemühungen der IV, durch Belastbarkeitstraining, Umschulung oder Job Coaching, wurde ein Anspruch auf eine IV-Rente geprüft. Eine IV-Rente konnte jedoch erst nach einer einjährigen Arbeitsunfähigkeit von 40% und sechs Monate nach der IV-Anmeldung bezogen werden.
Für das Jahr 2021 wurden von der Invalidenversicherung 1777 Fälle mit Covid-Folgen erfasst, für 2022 waren es 1914 Fälle. Dabei handelt es sich nur zum Teil um Personen mit Long Covid. Von den gemeldeten Personen erhielten 38% eine Leistung zugesprochen. Ein Drittel davon wurde mit einer beruflichen Eingliederungsmassnahme unterstützt, zwischen 3% und 4% erhielten eine Rente.
Für Betroffene von Post-Covid-19 war es schwierig, IV-Leistungen zu erhalten, da keine Laborwerte oder Röntgenbilder die subjektive Wahrnehmung der Betroffenen objektivierbar machen konnten. Der Verein Long Covid Schweiz kämpfte unter anderem dafür, dass Long Covid als Krankheitsbild anerkannt wurde und Betroffene von der IV einfacher eine Rente erhielten. Das BSV begründete den hohen Teil der abgelehnten Leistungsanmeldungen und den hohen Teil der Eingliederungsmassnahmen, im Gegensatz zu den tiefen Rentenzusprachen, damit, dass bei vielen Long-Covid-Betroffenen mit guter medizinischer Betreuung und IV-betreuter Eingliederung die Erwerbstätigkeit wiederhergestellt werden konnte.
In den Kontroversen um die Behandlung und Therapie von Long-Covid betonte der Bundesrat 2021, die Finanzierung der Krankheitsbehandlung und Rehabilitation von Long-Covid-Betroffenen sei sichergestellt, da die Kosten von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) übernommen wurden. Am 21. September 2023 veröffentlichte das BAG gesamtschweizerische Leitlinien zur Diagnose und Behandlung von Long Covid-Betroffenen. Der Bundesrat betonte in einem Bericht 2023, dass es in der Schweiz ein breites Netz von Anlaufstellen für Betroffene von Long Covid gab.
Abstimmungen zum Covid-19-Gesetz
Das Covid-19-Gesetz vom 25. September 2020 war zusammen mit dem Epidemiengesetz die Grundlage für gesundheitspolizeiliche Massnahmen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Coronapandemie und für Massnahmen zur Abfederung der negativen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen. Das Gesetz sah vor, dass der Bundesrat erforderliche Massnahmen aus den Verordnungen weiterführen, anpassen und neue Massnahmen erlassen konnte. Das Gesetz wurde mehrmals geändert. Nach fakultativen Referenden fanden im Juni 2021 und im November 2021 Abstimmungen über das Covid-Gesetz statt, bei denen das Covid-Gesetz mit 60% bzw. 62% angenommen wurde. Auch bei einer dritten Abstimmung im Juni 2023 stimmte eine deutliche Mehrheit (62%) für die Gesetzesvorlage. Das Referendum hatten jeweils Gegner der Bundesmassnahmen ergriffen (die Vereine „Freunde der Verfassung“ und „Mass-voll“).
Revision des Epidemiengesetzes
Im November 2023 eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung zur Revision des Epidemiengesetzes, um die Rahmenbedingungen für die Bewältigung zukünftiger Pandemien zu verbessern. Mit der Teilrevision sollte es Kantonen und Bund möglich sein, Präventionsmassnahmen zu erlassen. Auch eine bessere Kompetenzverteilung zwischen Kantonen und Bund sollte im neuen Epidemiegesetz einen besonderen Platz erhalten.
Literatur / Bibliographie / Bibliografia / References: Staatssekretariat für Wirtschaft SECO (ed.): Härtefällemassnahmen, 17.02.202, Stand: 26.03.2021; Nachtwey, Oliver; Schäfer, Robert; Frei, Nadine: Politische Soziologie der Corona-Proteste. Grundauswertung, Basel 17.12.2020, Stand: 17.02.2021. Bundesamt für Sozialversicherungen (ed.): Langzeitfolgen von COVID-19: Monitoring der Invalidenversicherung (IV), Stand: 18.03.2024. HLS / DHS / DSS: Notrecht
(08/2024)